INTERVIEW MIT ANDRÉ ODIER

»Letztlich zeigen diese Ausstellungen Beispiele davon, was ein Künstler ist, was die Kunst kann und wo der Kult beginnt.« ⸺ Der Kulturjournalist Marcus Woeller im Gespräch mit André Odier, einem der Geschäftsführer des Freundeskreises der Neuen Nationalgalerie e.V., über die spektakulären Ausstellungen in der Neuen Nationalgalerie in Berlin.

Die Staatlichen Museen zu Berlin zeigen im Herbst eine Serie von Ausstellungen mit ganz unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten zum Thema Kult des Künstlers. Was steckt dahinter?

Die Idee dazu hatte Peter-Klaus Schuster, der damit jetzt auch seinen Abschied aus Berlin feiert. Er wollte gern zu diesem Anlass ein großes Festival haben und der Kult des Künstlers ist etwas, worüber er schon lange nachgedacht hat. Ähnlich wie bei der Jahrhundertausstellung 2000 wollte er jetzt den Künstler selbst als großes Thema nehmen. Als Direktor der Nationalgalerie hat er natürlich ihre drei Häuser involviert und der Reihe ein intelligentes Konzept hinterlegt. So wird am Kulturforum die Unsterblichkeit des Künstlerkults präsentiert, sie stellt sozusagen diese große Idee dar. Die Alte Nationalgalerie, die Neue Nationalgalerie und der Hamburger Bahnhof zeigen Beispiele. Nicht die großen Namen wie Pablo Picasso, Claude Monet oder Édouard Manet, sondern eher Künstler, die man nicht erwartet.

In der Neuen Nationalgalerie werden Werke von Paul Klee und Jeff Koons präsentiert.

Die eine Ausstellung heißt Das Universum Klee und das bedeutet Paul Klee von A bis Z. Es geht um seine großen Themen, von der Kindheit bis zum Bauhaus, um Träume, Angst, Landschaften, Sterne - also das ganze Werk. Wir wollten unbedingt seine universalen Ideen darstellen, denn die meisten Klee-Ausstellungen zeigen immer nur Ausschnitte. Wir wollen die ganze Spannweite, die es bei Klee gibt, illustrieren. Bei Jeff Koons ist es ganz anders: Wir nehmen nur eine Serie, Celebration. Die besteht aus Plastiken und Gemälden. Wir zeigen daraus elf Riesenskulpturen oben in der Halle.

Klee und Koons sind sehr gegensätzliche Künstler. Wie hat Koons darauf reagiert mit Klee in einem Haus ausgestellt zu werden?

Koons war ganz begeistert, seine Arbeiten zusammen mit Paul Klee zu zeigen. Er sieht sogar einige Assoziationen zwischen seinem Werk und Klees Kunst. Koons Celebration Serie bearbeitet das Thema der Welt der Kinder, und Paul Klee versucht immer wieder Kinderzeichnungen zu ergründen und vollkommen frei von irgendwelchen Vorgedanken zu spielen. Da gibt es eine Überschneidung. In der Tat gibt es aber zwischen Koons und Klee einen totalen Bruch auf einer anderen Ebene, was auch spannend ist. Letztlich zeigen diese Ausstellungen Beispiele davon, was ein Künstler ist, was die Kunst kann und wo der Kult beginnt.

Koons ist Künstler und gleichzeitig sein eigener Marketingexperte, er beschäftigt ein knapp hundertköpfiges Team und gilt als Kontrollfreak. Wie plant man eine Ausstellung mit so einem Medienmenschen?

Ach, das war nicht viel komplizierter als bei anderen Künstlern. Künstler von diesem Rang sind gern informiert über alles was wir machen. Ich denke, das kommt daher, dass sie einfach perfekt arbeiten wollen. Auch wenn sie sich sehr geehrt fühlen, in der Nationalgalerie gezeigt zu werden, haben sie gleichzeitig Angst und wollen ganz genau prüfen, was passiert. Wir waren bei der Vorbereitung zwei-, dreimal bei Koons, und er war in Berlin. So nähert man sich peu à peu. Die Amerikaner wollen prinzipiell immer sehr viele Informationen. Aber auch wenn wir denken, dass dieses und jenes nur sekundäre Informationen sind, geben wir sie dennoch gern weiter. Es war mit Koons also nicht viel komplizierter als mit anderen. Gerade haben wir mit Jannis Kounellis eine Ausstellung gemacht, der war auch geradezu informationssüchtig. Aber das finde ich alles in allem okay, denn wir arbeiten gut zusammen und Kommunikation ist sehr, sehr wichtig. Wir bespielen ständig die Nationalgalerie, aber die meisten Künstler sind eben nur einmal zu Gast.

veröffentlicht am 30.10.2008
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Veröffentlicht am: 30.10.2008