HENRI MATISSE

Vom Jurastudenten zum einflussreichen Maler des 20. Jahrhunderts

Henri Matisse wurde am 31. Dezember 1869 in Le Cateau-Cambrésis im Norden Frankreichs geboren. Obwohl er zunächst eine Karriere als Jurist anstrebte, entdeckte er während einer längeren Krankheit seine Liebe zur Malerei. Seine Leidenschaft wurde so stark, dass er sein Jurastudium abbrach und sich ganz der Kunst verschrieb. In Paris studierte er an der renommierten École des Beaux-Arts, wo er zunächst von Gustave Moreau und der Kunst des 19. Jahrhunderts beeinflusst wurde, jedoch schon bald einen ganz eigenen Stil entwickelte.

Fauvismus und Farbexplosion

Bereits um 1900 war Matisse einer der führenden Vertreter der Fauves, einer Künstlergruppe, die für ihren radikalen Umgang mit Farbe bekannt war. Werke wie «Luxe, Calme et Volupté» (1904) zeigen seinen experimentellen Umgang mit leuchtenden, expressiven Farbfeldern und stark vereinfachten Formen, welche die traditionellen Konventionen der Malerei bewusst hinter sich ließen. Besonders prägend für seine künstlerische Entwicklung war seine Reise nach Collioure 1905. Der Kunsthistoriker Raphaël Bouvier beschreibt diese Phase als eine «Revolution der Farbe», die Matisse eine neue Freiheit im Umgang mit Farbe und Form eröffnete.

Henri Matisse, Luxe, calme et volupté, 1904 Öl auf Leinwand, 98.5 x 118.5 cm Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Dation, 1982, Depositum im Musée d‘Orsay, 1985 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: © RMN-Grand Palais (musée d‘Orsay) / Hervé Lewandowski


Henri Matisse: Luxe, calme et volupté, 1904 Öl auf Leinwand, 98,5 x 118,5 cm Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Dation, 1982, Depositum im Musée d‘Orsay, 1985 © Succession H. Matisse / 2024,
ProLitteris, Zurich Foto: © RMN-Grand Palais (musée d‘Orsay) / Hervé Lewandowski

Die Reise als Inspirationsquelle für Henri Matisse

Matisses Werk wurde immer wieder von seinen Reisen beeinflusst, insbesondere in den europäischen Mittelmeerraum und nach Nordafrika. Sein Aufenthalt in Marokko, der ihn nachhaltig beeinflusste, bot ihm neue Perspektiven in Bezug auf Licht und Komposition. Seine Suche nach Inspiration in Natur und Kunst führte ihn auch nach Algerien und Tahiti. Die Farben und das Licht dieser Regionen prägten seine Werke und gaben ihnen eine neue Tiefe.

Ein Maler mit Sehnsucht nach Idylle

Ein weiteres zentrales Motiv in Matisses Schaffen war die Suche nach einem idealen, harmonischen Lebensraum, der sich in seinen Gemälden oft in ruhigen, idyllischen Szenen ausdrückt. Diese Arbeiten, die ästhetischen Überfluss und zugleich Ruhe ausstrahlen, lassen sich teilweise auf den Einfluss des Dichters Charles Baudelaire zurückführen. Viele seiner Werke scheinen wie Einladungen in eine paradiesische Welt, weit entfernt von der Realität.

Henri Matisse, Baigneuses à la tortue (Badende mit Schildkröte), 1907-08 Öl auf Leinwand, 181.6 x 221 cm Saint Louis Art Museum, Schenkung Mr. und Mrs. Joseph Pulitzer Jr. © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Saint Louis Art Museum


Henri Matisse: Baigneuses à la tortue (Badende mit Schildkröte), 1907-08 Öl auf Leinwand, 181,6 x 221 cm Saint Louis Art Museum, Schenkung Mr. und Mrs. Joseph Pulitzer Jr. © Succession H. Matisse / 2024,
ProLitteris, Zurich Foto: Saint Louis Art Museum

Ein neuer Blick auf das Licht

Neben der Farbe spielte auch das Licht eine entscheidende Rolle in Matisses Kunst. Seine Reisen nach Südfrankreich, Korsika und Nordafrika verhalfen ihm zu einem neuen Verständnis des mediterranen Lichts, das seine Arbeiten maßgeblich beeinflusste. Besonders beeindruckt war er von der islamischen Kunst und Architektur, die ihm neue Impulse für seine flächigen Kompositionen gab.

Kritik an einem Künstler seiner Zeit

Matisses Auseinandersetzung mit fremden Kulturen wird heute kritisch betrachtet, insbesondere seine Faszination für den «Orient». Doch seine Beschäftigung mit diesen Kulturen ging weit über eine oberflächliche Aneignung hinaus. Er setzte sich intensiv mit den Kunstformen auseinander und integrierte sie in sein Werk.

Henri Matisse, Les acanthes (Akanthus), 1953 Mit Gouache bemalte und ausgeschnittene Papiere auf Papier auf Leinwand, 311.7 x 351.8 cm Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Robert Bayer


Henri Matisse: Les acanthes (Akanthus), 1953 Mit Gouache bemalte und ausgeschnittene Papiere auf Papier auf Leinwand, 311,7 x 351,8 cm Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler © Succession H. Matisse/ 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Robert Bayer

Aus der Not eine Tugend machen: Die Scherenschnitte

In den letzten Jahren seines Lebens, als Matisse körperlich eingeschränkt war, entwickelte er die Technik der Scherenschnitte. Diese farbenfrohen, großformatigen Papierarbeiten, die in den 1940er-Jahren entstanden, gehören zu seinen bekanntesten Werken. Trotz seiner Einschränkungen schuf er in dieser Zeit einige seiner dynamischsten und lebendigsten Arbeiten, die durch ihre Einfachheit und Farbintensität beeindrucken.

Tod und Nachwirkung eines ganz großen Malers

Henri Matisse starb am 3. November 1954 in Nizza. Sein Schaffen hat die Kunst des 20. Jahrhunderts revolutioniert und wirkt bis in die heutige Zeit. Seine Werke, in denen Farbe, Form und Licht verschmelzen, laden den Betrachter ein, in neue malerische Welten einzutauchen.

Veröffentlicht am: 08.10.2024