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BAROCK
»Die glückliche Erfindung einer Allegorie gibt einem Gemälde einen größeren Wert, als es selbst Tizians Pinsel erlangen würde...« ⸺ Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 1771–1774
Der Barock erfreut sich neuer Aufmerksamkeit. Ohne Jubelanlass werden Rubens und Rembrandt mit fulminanten Werkschauen gefeiert. In Vergessenheit geratene Künstler wie der »italienische Hogarth« Gaspare Traversi und der Prager Baumeister Santini werden wiederentdeckt: Die Zeit scheint reif für eine neue Auseinandersetzung mit einem immer noch gerne als »schwülstig« abgewerteten Kunststil.
Als Epochenbegriff ist der Barock eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, erst damals wurden dem 17. Jahrhundert die Stempel mit all den Urteilen und Vorurteilen aufgeprägt, die bis heute Bestand haben. Dabei wurzeln eine ganze Reihe von Merkmalen barocker Malerei bereits in der Renaissance und werden im Klassizismus weitergeführt: Das Prinzip des Illusionismus, der täuschenden Raumerweiterung, in der die monumentale Wand- und Deckenmalerei die Grenzen der realen Architektur aufzuheben scheint, wird zu höchster Vollkommenheit gesteigert. Antike Götter und Helden sind mythologisch geprägte Sinnträger, die den aktuellen inhaltlichen Bezug auf eine höhere Ebene geschichtlicher und mythischer Wirklichkeit heben. Die allegorische Bildsprache und damit zusammenhängend die humanistische geprägte Leidenschaft für die Verschlüsselung von Aussagen gewinnt an Bedeutung.
Neu ist die Idee des Gesamtkunstwerkes: Im Kirchen- und Schlossbau gehen Architektur, Plastik, Malerei und Ornament ineinander über, durchdringen sich und verschmelzen zu einem Ganzen. Zusammen mit der Gartenanlage bildet das Schloss die Kulisse für mehrtägige Feste, die in prachtvollen Inszenierungen mit Triumphzügen, Maskeraden, Tanz, Turnieren, Jagd und Feuerwerk den Herrscher verherrlichen. Waren zuvor vor allem die sakrale und profane Geschichte, das Porträt und die Allegorie bildwürdig, so erweitert sich nun das Themenfeld: Die Apotheose und das Staatsporträt, die Landschaft, das Genre, das Stillleben und die Karikatur werden zu Leitformen der Epoche weiterentwickelt. Ihnen ist gemeinsam, dass sie stets über das anthropozentrische Weltbild hinausweisen: So gilt die Verherrlichung, die der Heilige Ignatius in seiner Apotheose von Baciccio erlebt, nicht so sehr seiner Person als vielmehr der Glorie des Jesuitenordens; wenn Charles le Brun den Kanzler Séguier bei seinem feierlichen Einzug mit dem höchsten Würdezeichen seines Amtes darstellt, so manifestiert sich in diesem Staatsporträt nicht die Person des Kanzlers, sondern der Gedanke des absolutistisch gelenkten Staates. Hyacinthe Rigauds berühmtes Bildnis Ludwigs XIV. gilt als Inbegriff des Sonnenkönigtums. Aus den Landschaften Annibale Carraccis oder Nicolas Poussins verschwindet zwar der Mensch nicht, neu aber ist, dass hier die Natur nicht nur Schauplatz seines Auftretens ist, sondern selbstständige Geltung erlangt. Im Genrebild verbirgt sich hinter der Darstellung von Alltagsszenen ein moralischer oder universalistischer Sinngehalt. Erbauliche Botschaften stehen hinter den sinnlichen Reizen des Stilllebens. Mit der Karikatur halten die Maler der Schule der Carracci dem idealen Menschen der Renaissance einen Zerrspiegel vor und geben ihn der Lächerlichkeit preis.
Der Barock gilt als letzter gesamteuropäischer Stil, der vor allem in Italien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden sowie Süddeutschland und Österreich seine prägnanteste Ausformung gefunden hat. Die zunehmende Verbreitung von Reproduktionsgrafik, die eine Fülle von Bilderfindungen schnell zugänglich und verfügbar machte, ermöglicht einen intensiven Austausch internationalen Gedankengutes. Rubens beispielsweise beschäftigt Stecherateliers, die seine Kompositionen in ganz Europa bekannt machen. Daneben widmen sich namhafte Maler wie Rembrandt der Druckgrafik und nutzen sie zu eigenständigen Bildschöpfungen. Neben den geläufigen Techniken Radierung und Stich kommen neue Erfindungen wie Schabkunst und Aquatinta dazu.
Italien ist der Ausgangspunkt der wichtigsten formalen und stilistischen Erscheinungen und Entwicklungen, Rom ein weltoffenes Zentrum und Ziel europäischer Künstler wie Nicolas Poussin, Claude Lorrain, Adam Elsheimer, Paul Bril und Peter Paul Rubens. Revolutionär wirkt von dort aus die Malerei Caravaggios mit seiner schroff wirkenden Helldunkelmalerei und der kräftigen plastischen Modellierung seiner Figuren. Landschaft und Raum sind häufig nur angedeutet. Die dadurch entstandene unmittelbare Nähe zum Betrachter und der radikale Naturalismus beeinflusste Künstler in ganz Europa. In anderer Weise wirkt die Schule von Bologna mit Annibale Carracci, seinen Brüdern und seinem akademischen Gefolge nachhaltig auf die Entstehung des Barockstils: Die Klarheit und harmonische Ruhe ihrer Altarbilder und die idealisierte Natur in ihren »heroischen Landschaften« erlangen ebenfalls bahnbrechende Wirkung.
In Spanien erfährt die Malerei eine besondere Blütezeit. Hier fehlt die Auseinandersetzung mit dem antikisierenden Bilderkreis, es dominiert das Porträt, die religiöse Historienerzählung und das Andachtsbild. Wesentlich ist die Entwicklung des Genrebildes, zu der Maler wie Diego Velázquez, Francisco de Zurbarán und Bartolomé Esteban Murillo Meisterwerke beitragen. Von überragender Bedeutung sind Velázquez´ Bildnisse von Angehörigen der königlichen Familie.
Die Malerei der Niederlande erlebt im Hochbarock ein Goldenes Zeitalter: Peter Paul Rubens erregt im katholischen Süden mit seinen monumentalen Schöpfungen für Adel und Kirche Aufsehen. Rembrandt im calvinistischen Norden entwickelt seine sensible Helldunkelmalerei zu höchster Meisterschaft. Mit höchst unterschiedlichen Mitteln erweitern beide die Skala der Darstellbarkeit menschlicher Empfindungen und Stimmungen. In zahllosen Zeichnungen und Studien zeigen sie Menschen, Naturerscheinungen, Alltagsmomente, Szenen aus Mythologie, Religion oder Geschichte in all ihren Regungen, in ihren intimen und ekstatischen, natürlichen und emphatischen Zuständen. Unter dem Einfluss des bürgerlichen Patriziats entwickelt sich in Holland eine Fachmalerei: Herausragend sind die Porträts von Frans Hals und Anthonis van Dyck, die Landschaften von Jacob van Ruisdael und Jan van Goyen, die Allegorien von Jakob Jordaens, die Stillleben von Willem Claesz. Heda und Willem Kalf, die Genreszenen von Adriaen Brouwer, Jan Steen, Gerard Terborch und Pieter de Hooch. In Jan Vermeers Intérieurs, Meisterwerken der Lichtregie und Farbharmonie, findet die Epoche ihren krönenden Abschluss.