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INTERVIEW MIT MEL RAMOS
»So ist unsere Welt, so sehe ich sie als Maler« ⸺ Hans-Joachim Müller, renommierter Kunstredakteur, im Gespräch mit dem amerikanischen Pop-Art-Maler Mel Ramos.
Ihr Werk scheint unlösbar mit dem Begriff Pop-Art verbunden. Ist Pop-Art für Sie eine abgeschlossene kunst- und kulturgeschichtliche Epoche, oder lebt sie noch, ist Pop-Art immer noch aktuell?
Pop-Art gab es vielleicht sechs Wochen lang, nicht länger. Pop-Art war, als sich im Jahr 1960 Künstler wie Claes Oldenburg, Roy Lichtenstein, Jim Dine, Andy Warhol, Tom Wesselmann und einige englische Kollegen wie Peter Blake oder Richard Hamilton zusammentaten, und jeder seine eigene Herkunft vergass, und sie etwas Neues schufen, das es so noch nicht gegeben hatte. Diese kurze Zeit, das war streng genommen Pop-Art. Und dann ging jeder wieder seinen Weg. Aber die Schockwelle, die sie gemeinsam auslösten, die hält noch immer an. Bis heute gibt es junge Künstler, die ihre eigene Pop-Art entdecken. Die Wurzeln reichen tief, es ist wirklich lange her. Auch ich bin einmal von dieser Schockwelle erfasst worden. Dass man mich heute noch einen Pop-Künstler nennt, ist okay. Vielleicht bin ich es ja genau besehen nicht, aber ich wehre mich nicht gegen die Zuordnung. Wie zum Beispiel James Rosenquist, von dem ich weiss, dass er kein Pop-Artist mehr sein möchte. Das ist sein Problem. Mir bedeutet der Begriff durchaus noch etwas. Abgeschlossen ist Pop-Art nicht.
Verändert aber haben sich die massenmedialen Bildwelten, auf die sich Ihre Malerei bezieht. Was fasziniert Sie denn immer noch an Comics, Cartoons und Werbung?
Als ich studierte, war der Abstrakte Expressionismus vorherrschend. Natürlich habe ich mich als Student auch darin versucht. Aber ich merkte bald, dass ich das nicht weitertreiben wollte. Maler wie de Kooning, Motherwell oder Franz Kline waren grossartige Vorbilder mit Werken, die ich nicht besser machen könnte. Wenn ich das versuchen würde, das war mir klar, dann würde ich nur meine Zeit vergeuden. Und ein Sonntagsmaler, der nur seinem Hobby frönt, wollte ich auch nicht sein. Ich hatte sehr wohl den Anspruch, ein ernsthafter Maler zu werden. Und ein ernsthafter Maler würde ich nur, wenn ich Bilder malte, die mir selber gefielen. So kam ich auf diese meisterlichen Zeichnungen in den Comics, die ja alle von absolut ernsthaften Künstlern stammten. Mehr und mehr habe ich dann die Welt der Super-Heroes, vor allem die weiblichen Comic-Figuren in meine Bilder aufgenommen und sie zu Kunstgegenständen gemacht. Ein nächster Schritt war dann, dass ich sie mit Werbebotschaften zusammenbrachte. Die Arrangements sollten möglichst sexy aussehen. Denn das hat mich vor allem interessiert, wie diese schlichte Tatsache »sex sells« immer wieder funktioniert.
Sind Ihre Bilder also kritisch gemeint?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin kein Kritiker, ich bin Beobachter. Ich schau auf die Dinge, wie einer auf eine Landschaft sieht. So ist das alles, so ist unsere Welt, so sehe ich sie als Maler. Ich will doch keine Gender-Debatten anzetteln. Was ja nicht heisst, dass ich privat meine kritischen Einstellungen zu allen möglichen Dingen habe, dass ich mir zum Beispiel auch Gedanken zur Klimaerwärmung mache. Aber das drücke nicht in meinen Bildern aus. Bilder, denke ich, eignen sich nicht für Botschaften.
Und was würden Sie sagen, wenn man Ihre Bilder als Symbole des modernen Kapitalismus beschreiben würde?
Darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich eigentlich dankbar für den modernen Kapitalismus, weil er es Menschen ermöglicht, meine Bilder zu kaufen, die ja ganz schön teuer sind.
Es kommen nur weibliche Figuren vor auf Ihren Bildern. Männliche Pinups gibt es keine ...
Doch, ich habe auch männliche Porträts gemalt, aber in der Hauptsache, das stimmt schon, interessiert mich die weibliche Figur. Warum das so ist? Was soll ich dazu sagen? Ich liebe Frauen. Ich bin ein gesunder, männlicher Amerikaner (»a healthy male american«). Und Frauen sind für mich Objekte der Begierde. Das ist die Wahrheit.
Die Wahrheit ist aber auch, dass dies politisch ziemlich inkorrekt klingt – zumal in Europa. Mit einer spezifischen Sicht auf den American way of life hat es vielleicht doch zu tun, wenn Sie Pinups und Konsumartikel so problemlos zusammenbringen?
Dass mein Werk den amerikanischen Maler verrät, das ist sicherlich nicht zu bestreiten. Andererseits habe ich auch ein europäisches Standbein. Ich lebe viele Monate im Jahr in meinem Haus in Spanien, und die Bilder, die dort entstehen, sind kaum verschieden von denen, die ich in Amerika male. Vielleicht ist das, was wir modernen Lifestyle nennen, wirklich zum globalen Phänomen geworden.
Dabei gibt es in Ihrem Werk eine ganze Anzahl von Anspielungen auf die klassische Aktmalerei.
Ja, mein absoluter Favorit ist Diego Velasquez. Ich habe im letzten Sommer eine Ausstellung im Louvre in Paris gesehen – Tintoretto, Tizian und Veronese, und ich erinnere mich an einen Raum, in dem lauter Aktbilder versammelt waren. Da lag ein solcher Glanz von Einverständnis über allem, das hat mich kolossal beeindruckt. Es war wie eine Bestätigung meiner eigenen Arbeit. Da wurde mir vollends klar, dass ich in der richtigen Spur bin und einen guten Job mache. Ich weiss schon, dass es auch eine feministische Kritik gibt, die mein Werk als sexistisch einstuft. Aber ich denke, meine eigentlichen Wurzeln liegen in dieser wunderbaren Geschichte der Aktmalerei.
Aktmalerei ist in der Regel inszenierte Malerei.
Mit Inszenierung hat es wohl zu tun, was ich im Atelier treibe. Wie bei einem Fotoshooting mache ich von meinen Modellen erst einmal ganze Serien von Fotos und beginne erst dann mit denZeichnungen. In diesem Medium probiere ich alle möglichen Details und Positionen aus. Und wenn ich mich für ein bestimmtes Setting entschieden habe, dann fange ich an zu malen. Ganz wichtig sind aber auch die Zwischenschritte am Computer. Ich benutze heute den Computer wie ein Malwerkzeug. Das ist wirklich phantastisch. Ich kann all meine Fotos einscannen und sie nach Belieben bearbeiten und collagieren und den farblichen Hintergrund festlegen. Und immer sehe ich genau, wie das Bild werden wird.
Die Siebziger- und zum Teil auch noch die Achtzigerjahre waren bestimmt vom minimalistischen Mainstream.
Das hat mich alles nicht interessiert. Ich gehöre eben zu einer anderen Generation. All diese vielen Stile, die es nach der Pop-Art kamen und gingen, die kamen und gingen an mir vorbei. Ich erinnere mich an eine Ausstellung in einer Galerie in New York von einem dieser Minimal-Künstler. Ich glaube, es war Arakawa. Der zeigte ganz ausdrücklich ein »Kriegsbild«, auf dem nichts zu sehen war. Eine schwarze Leinwand, sonst nicht. Da dachte ich, o Gott, was ist das. Mein Highlight in der Erfahrung mit dem Minimalismus.
Haben Sie sich allein gefühlt?
Ich stand immer in Verbindung mit anderen, die auch so denken wie ich ich, mit Lichtenstein, Wesselmann oder Allan Jones. Und meine Bilder sind auch nicht gerade aus der Mode gekommen, sonst gäbe es ja diese Ausstellung hier in Tübingen nicht.
Sie sind zufrieden mit Ihrer Ausstellung?
Ja, sehr. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Bilder von mir an einem Platz gesehen. Darunter sind manche frühen Bilder, die ich fast vergessen habe und die mir noch ganz gut gefallen. Bei anderen bin ich ein bisschen enttäuscht, die hatte ich anders in Erinnerung. Aber im Ganzen macht das alles einen sehr guten Eindruck.